Shine with shiatsu journal

Warum wir Zeit für Nichts-Tun brauchen

Ich spürte ein Gefühl der Erleichterung, als die Tür zugefallen ist. Kurz bevor ich ging, fiel mein Blick auf einen Haufen schmutziges Geschirr auf dem Küchentisch. Ich habe mich weggedreht und so getan, als ob sie nicht da wären.

Als ich in der S-Bahn saß, konnte ich die Müdigkeit um mich herum spüren. Es war früher Nachmittag. Der Zug war voll. Der Mann neben mir war eingeschlafen, seine Hände hielten seinen Rucksack fest umklammert. Ich schloss für einen Moment die Augen. Warum bin ich nicht eine Stunde früher losgefahren, fragte ich mich? Na ja, egal… besser spät als nie. Jetzt bin ich hier, bereit und auch ein bisschen aufgeregt, denn ich habe ein Date. Eine Verabredung mit mir selbst in meinem geheimen Waldstück außerhalb der Stadt. Ich komme regelmäßig allein hierher, um – wie ich es nenne – „nichts zu tun“.

1. Die Welt um mich herum erleben

In dem Moment, als ich den Wald betrete, geschieht etwas Seltsames in meinem Kopf. Vielleicht ist es die grüne Farbe, die mich umgibt, oder die Geräusche, die ich zu hören beginne? Ich weiß es nicht genau, aber es scheint, als würde ich in einen anderen Modus übergehen. Ich kenne dieses Gefühl vom Schwimmen.

Jedes Mal, wenn ich länger nicht geschwommen bin, frage ich mich: wie konnte ich so lange ohne aushalten? Es ist, als ob man sich wieder in etwas verliebt, das man seit Ewigkeiten liebt und ganz offensichtlich seine Leidenschaft vergessen hat.

 

Mit dem Wald ist es dasselbe. Er bringt mich dazu, langsamer zu werden und zu lächeln. Ich beobachte, höre, rieche oder berühre die Dinge um mich herum. Meine Sinne erwachen in einer neuen Qualität.

 

Ich ziehe auch meine Schuhe aus und erlaube meinen Füßen den Boden, die Blätter und die kleinen Steine zu berühren. Ich liebe es, barfuß zu laufen, und kann die Vorteile fast sofort spüren. Es sind nicht nur meine Füße, die sich lebendiger anfühlen. Mein ganzer Körper kommt in einen Zustand der Gelassenheit. Es ist so erfrischend, einfach im Jetzt zu sein, mit der Unterstützung der Erde die mich trägt. 

2. Weniger Handeln, mehr Bewusstsein

Meine Vorstellung vom Nichtstun beruht darauf, die Anzahl der Ablenkungen um mich herum zu reduzieren. In diesem Raum zu sein bedeutet: kein Telefon, keine sozialen Medien, keine Podcasts, keine Bücher, keine neuen Projekte oder Gedanken von Außen. Meine Zeit für das Nichts ist dafür reserviert, was bereits in mir drin ist. Und glaube mir, da ist einen ganze Menge. Ich nutze diese Zeit um nachzuspüren, was in meinem Leben passiert, was meine Intuition sagt. Manchmal schreibe ich Dinge auf oder ich lege mich einfach ins Gras und schaue in den Himmel. 

Mir ist klar geworden, dass ich das nur tun kann, weil um mich herum diese große Stille herrscht. Es werden keine Fragen gestellt, es gibt keine Probleme, mit denen ich konfrontiert bin. Ich kann anfangen, meine eigenen Gedanken zu hören, die, die wirklich meine sind. Nein, ich fühle mich nicht gelangweilt. Ich genieße diesen friedlichen Zustand. Es ist als würde ich an einem warmen Sommerabend in einen ruhigen See steigen. Es ist, als würde ich mit offenen Augen meditieren.

3. Leer werden um in vollen Zügen zu leben

Es ist für mich keine Überraschung, warum ich meine Waldroutine entwickelt habe. Ich weiß, dass ich oft in die „Beschäftigungsfalle“ tappe. Kennst Du das Gefühl einer nie vollendeten To-Do-Liste? Ich nenne es bewusst eine Falle, denn die Liste wird nie fertig. Es gibt keinen endgültigen Schnitt an einem Freitag um 17 Uhr. Selbst wenn wir aufhören zu arbeiten, wird die Liste in unserer Gedankenwelt mit neuen Aufgaben und Terminen erweitert. Ein Hamsterrad, das uns müde macht.

Es hat einige Zeit gedauert, aber ich habe beschlossen, dieses Spiel nicht mehr mitzumachen. Ich will kein hektisches Leben. Ich möchte eins, dass sinnvoll und einfach ist.

Meine Zeit im Wald ist eine wunderbare Erinnerung daran, dass auch andere Wege möglich sind. Das Leben kann leer, langsam und einfach sein.


Diese Praxis ermöglicht mir, einen Schritt zurückzutreten und darauf zu achten, wohin meine Aufmerksamkeit geht. Auf diese Weise kann ich mich auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren. Die Langsamkeit in mein Leben einzuladen bedeutet, mehr mit der Natur, mit den Jahreszeiten, mit meinen Sinnen, meinem Körper und meinem Atem zu sein. Dann kann ich darauf vertrauen, dass für alles genug Zeit ist.

4. Bereit, dem Leben zu begegnen

Als ich nach einem mehrstündigen Spaziergang durch Felder nach Hause kam, fühlte ich mich erfrischt. Das schmutzige Geschirr stand immer noch an der gleichen Stelle, aber es störte mich nicht mehr. Es war so schön, meine Familie bei der Zubereitung des Abendessens zu beobachten. Plötzlich empfand ich tiefe Dankbarkeit. Mein Herz war offen für die Begegnung mit ihnen und für das Zusammensein. Ich fühlte Raum. Ich war bereit, dem Leben zu begegnen.

Liebe Grüße, 
Aleksandra

Aleksandra Hoffmann Shiatsu Berlin

über die autorin

Aleksandra Hoffmann

Aleksandra Hoffmann ist zertifizierte Shiatsu-Praktikerin in Berlin. Sie unterstützt KlientInnen in Zeiten von körperlichem und emotionalem Stress, sodass sie sich in ihren Körper und ihre Bedürfnisse hineinspüren können. Und Frieden in sich selbst finden.